„Auufstellen, zwei und zwei, die Mädchen zuerst!“ So tönt die gespielt herrische Stimme von Frau Zimmermann durch den Flur. Wir sind im Schulmuseum in Palmbach und nehmen an einer historischen Schulstunde teil.
Die 20 Schülerinnen und Schüler der Klasse 3a der Südschule Neureut stehen in Nullkommanichts in einer Reihe. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Im Klassenzimmer begrüßen wir das Fräulein Lehrerin, das früher natürlich unverheiratet war. Dann wird ein Gebet gesprochen. Das Fräulein kontrolliert die Fingernägel, denn die Erziehung zur Sauberkeit war ein ganz wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Die Hände der Schüler liegen während des gesamten Unterrichts auf der Schulbank, der Rücken ist gerade. „Hat jemand Holz dabei?“ Zum Glück hat ein Mädchen aus der ersten Reihe zuvor einen Holzscheit zugesteckt bekommen, den es dem Fräulein Lehrerin mit einem Knicks übergibt. Auf diese Weise wurde früher der kleine Ofen in dem großen Klassenzimmer befeuert. Hatte niemand Holz dabei, blieb der Klassenraum kalt. Auf einer Tafel steht ein Text in Sütterlinschrift. Wir können es kaum lesen. Das damalige „s“ gleicht einem „t“ und das „u“ einem „n“. Dann schreiben wir selbst in Sütterlinschrift auf kleine Holztafeln. Das macht allen großen Spaß. Aber die Schüler sind sich einig: Die heutige lateinische Ausgangsschrift ist doch deutlich einfacher. Frau Zimmermann geht geduldig durch die Reihen und verbessert und hilft. Früher gab es das nur selten. Fehler wurden bestraft, indem man an den Ohren oder Haaren gezogen wurde. Bei nicht gemachten Hausaufgaben waren die Strafen auch gerne einmal drastischer. Manch ein Schüler musste den Vormittag auf einem Holzscheit kniend verbringen oder bekam mit der Rute ein paar Schläge auf den Hosenboden.
Schnell ist die Schulstunde zu Ende. Wir könnten noch ewig zuhören und uns über frühere Erziehungsstile und Unterrichtsinhalte wundern. Wir bestaunen die Exponate im Museum, uralte Bücher und Landkarten, Handarbeiten und einen ersten riesigen Diaprojektor. Wir bewundern die exakte Heftführung früherer Schüler, bei denen es noch keine Kopien gab und die damals die Unterrichtsinhalte, wie zum Beispiel Pflanzen, genau abzeichnen mussten. Und wir gehen mit offenem Mund durch die kleine Lehrerwohnung. Ein gemeinsames Lied beendet unseren Schulvormittag. Viel zu schnell, wie die heutigen Schüler finden. Ob die Schüler damals das wohl genauso sahen?